Wenn jetzt die Tage wieder heisser werden, der Sommer vor der Tür steht und der Wald sich in sein dunkelgrünes Kleid hüllt, dann ist es Zeit für einen kühlen Waldspaziergang. Natürlich könnte man einfach so durch den Wald gehen und die Ruhe und Natur geniessen.

Man könnte es aber auch zu einem Achtsamkeitstraining werden lassen, dem Shinrin Yoku. Shinrin Yoku ist Japanisch und bedeutet Waldbaden oder - in der Atmosphäre des Waldes zu baden-.

Bereits im 17. Jahrhundert galt der Akasawa Wald in Japan mit seinen 300 Zypressen als Erholungswald und wurde später von der Forstbehörde unter Schutz gestellt.

Shinrin Yoku wurde 1982 vom Leiter der Forstverwaltung als Begriff vorgeschlagen und seither wird das Waldbaden in Japan sogar von der staatlichen Gesundheitsbehörde gefördert. Seit 2012 besteht in Japan obendrein ein eigener Forschungszweig dafür, die -forest medicine-  und eine Gesellschaft für Wald-Medizin.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an Ihre Kindheit, in der Sie alleine oder mit Freunden und Geschwistern Stunden im Wald verbracht haben, um Staudämme in Bachläufe zu bauen oder sagenhafte Schätze in Form von Blättern, Eicheln oder Steinen auf dem Waldboden zu finden.

So ähnlich geht das Waldbaden.

Waldbaden ist im Unterschied zum Joggen oder Spazierengehen im Wald eine Achtsamkeitsschulung. Es gilt die Langsamkeit einzuüben und etwas Besonderes zu betrachten, das uns dabei begegnet.

Am Beginn einer Stunde Waldbaden kann eine Art Eröffnungsritual stehen. Etwa eine Abmachung mit sich selbst, dem Gedankenkarussell keine Beachtung zu schenken und ins Fühlen, Riechen und Schlendern zukommen.

Als kleine Wahrnehmungsübung empfiehlt es sich am Beginn des Waldes kurz stehenzubleiben und das, was Sie dort sehen, ganz bewusst wahrzunehmen. Dann spazieren Sie los und hören aufmerksam auf das Rascheln und Knistern des Bodens unter ihren Füssen und saugen die gute Waldluft tief in die Lungen ein. Lassen Sie das beginnende Grün am Frühlingsanfang auf sich wirken. Geniessen Sie bewusst die Stille im Wald. Setzen Sie sich irgendwo hin, und konzentrieren Sie sich auf Ihren Atmenrhytmus. Oder ziehen Sie doch mal die Schuhe aus und spüren den Waldboden oder ein Moosbett unter Ihren Füssen. Versuchen Sie mit Ihren Zehen einen Stein oder ein Stück Holz aufzuheben.
Oder sie lehnen sich nach zurück und heben den Blick in die Baumkronen und stellen sich vor, wie Sie die Luft nährt und in jede Ihrer Körperzellen fliesst.

Ein Bad im Wald entspannt unser Gehirn. Die Blutströme im Gehirn verlangsamen sich und die Aktivität des präfrontalen Cortex, ein Areal im Gehirn, das der Mensch nutzt, um zum Beispiel hoch konzentriert zu arbeiten oder einem Sachverhalt zu folgen, sinkt.

Aber ein Waldbad kann noch mehr. Ein Aufenthalt im Wald unterstützt das Immunsystem durch unter anderem das Einatmen von Terpenen, die von den Bäumen abgesondert werden. Das sind flüchtige organische Verbindungen, wie sie auch in Zitronenschalen vorkommen. Diese Botenstoffe unterstützen aktiv unsere Abwehrkräfte.
Wer sich im Wald aufhält, senkt nachweislich seinen Blutdruck und reduziert Stresshormone.

Sooo, ich gehe jetzt in den Wald und umarme ein paar Bäume.

 

“Bäume sind Gedichte, 
die die Erde in den Himmel schreibt.”
Khalil Gibran